Home » Tourberichte » Entlang des Eisernen Vorhangs – Teil 3: Vom Fulda Gap bis zum Dreiländereck

Entlang des Eisernen Vorhangs – Teil 3: Vom Fulda Gap bis zum Dreiländereck

eingetragen in: Tourberichte 0

AB_Iron_Curtain_TrailFortsetzung meiner Radreise entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze…

Ein Jahr ist vergangen und irgendwie hat mir der Abbruch meiner Tour entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze im August letzten Jahres keine Ruhe gelassen. Perfekt, dass vor einigen Wochen mein damaliger Mitfahrer Stefan mir die Frage gestellt hat, was wir dieses Jahr für eine Radtour unternehmen möchten. Schnell war klar, die Tour von letztem Jahr machen wir fertig. 😉

Da die Urlaubsplanung jedoch nur eine Woche zugelassen hat, mussten wir uns auf eine verkürzte Route einigen. Klar war für mich, dass ich mit dem Rad das Fulda Gap mit Point Alpha durchqueren möchte. Außerdem war klar, dass die Tour bis zum Dreiländereck an der tschechischen Grenze gehen sollte. Damit waren Start- und Zielpunkt schnell festgelegt.

Tag 1: Von Gerstungen bis Heringen an der Werra

Heute stehen nur die Anreise mit der DB nach Gerstungen und eine kurze Etappe zum ersten Campingplatz in Heringen an der Werra auf dem Programm. In Sichtweite einer imposanten Abraumhalde des Kalibergbaus, dem sogenannten Monte Kali, schlagen wir unsere Zelte auf.

Übrigens, der im Wikipedia-Artikel beschriebene Eintrag von Salz ins Grundwasser ist deutlich zu merken. Für meinen Geschmack ist das Wasser in der Region kaum zu trinken…

Tag 2: Vom Monte Kali über Point Alpha nach Irmelshausen

Heute steht für mich ein absolutes Highlight der Tour auf dem Plan. Der Besuch des Observation Point Alpha auf einem Hügel oberhalb der thüringischen Gemeinde Geisa. Point Alpha lag an der engsten Stelle zwischen dem Staatsgebiet der DDR und dem Rhein. Verbunden mit der Erwartung der NATO, dass im Falle eines Krieges die Armeen des Warschauer Paktes durch das so genannte Fulda Gap auf das Gebiet der BRD vorrücken würden, machte Point Alpha mit zu dem wichtigsten Beobachtungsposten der NATO. Daher war der Beobachtungspunkte 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche mit bis zu 200 US-Soldaten besetzt. Bei Anzeichen, dass sich die Lage an der Grenze derart verschärft, dass unmittelbar Kampfhandlungen bevorstehen, hätten sich die dort stationierten Einheiten jedoch zu den eigenen Linien zurückgezogen.

Heute ist auf dem Gelände von Point Alpha eine Gedenkstätte mit Ausstellungen, weitläufigen Grenzanlagen unter anderem mit Kolonnenweg und US- sowie DDR-Beobachtungstürmen vorhanden. Hier wird die vergangene Konfrontation der beiden politischen Weltanschauungen noch heute greifbar. Ich kann nur jedem empfehlen, der sich für die deutsch-deutsche Geschichte interessiert, einen Nachmittag auf Point Alpha zu verbringen.

Wer sich für weiterführende Infos zum Thema Point Alpha und Fulda Gap interessiert sei das Band 2 „Schlachtfeld Fulda Gap“ der Schriftenreife Point Alpha, herausgegeben von Dr. Dieter Krüger empfohlen.

Anschließend geht es von Geisa entlang der Ulster bis nach Tann. Auf einem kleinen aber sehr gemütlichen Campingplatz in Dippach schlagen wir unser Camp für die Nacht auf.

Tag 3: Von der Rhön geht es hinaus Richtung Irmelshausen im Grabfeld

Heute haben die flachen Etappen entlang der Flüsse durch die Rhön ein Ende. Wir beginnen uns in Richtung Osten, der tschechischen Grenze entgegen, zu bewegen. D.h. ab sofort müssen wir jeden Ausläufer der Rhön und, gegen Ende der Tour, des Thüringer Waldes überqueren.

Daher ist der heutige Tag geprägt von vielen Höhenmetern. Das recht kühle Wetter erschwert die Anstiege aber zum Glück nicht zusätzlich. Im Laufe des Tages durchqueren wir den Ort Frankenheim, der mit 750m ü.NN. der höchste Ort der Rhön ist. Anschließend heißt es Höhenmeter vernichten auf einer schnellen Abfahrt bis nach Fladungen. Teilweise über ruhige Nebenstraßen und geschotterte Radwege geht es bis zu unserem Ziel, dem Campingplatz in Irmelhausen im Grabfeld. Dort treffen wir zwei Kanadier, die mit schwerem Gepäck in der Gegenrichtung unterwegs sind. Als Ziel nennen sie uns Skandinavien,… irgendwann im September. Soviel Zeit müsste man einmal haben. Auf uns wartet kommende Woche leider wieder das Büro…

Tag 4: Von Irmelshausen nach Bad Rodach

Am heutigen Tag heißt es hauptsächlich voran kommen. Entlang des Weges warten außer dem Bayernturm keine besonderen Sightseeingattraktionen.

Wir fahren über eine Hügelkuppe und plötzlich taucht ein Turm, verkleidet mit blauem Wellblech, auf. Bei diesem Anblick müssen Stefan und ich beide spontan an das Ufo aus dem Film „Men in Black“ denken. Auf jeden Fall muss ich diesen Turm aus der Nähe inspizieren und nach einem kurzen Anstieg stehen wir vor dem Bayernturm (leider habe ich kein vernünftiges Foto von außen. Daher bitte in den Wikipedia-Artikel schauen. ;))

Der 38m hohe Bayernturm dient seit 1966 als Touristenattraktion. Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs konnte man von ihm hervorragend die Grenzanlagen der DDR im Abschnitt der Ortschaft Zimmerau überblicken. Leider konnte ich dazu im Internet kein Bild finden. Vielleicht ist ja jemand von Euch erfolgreich und möchte den Link in den Kommentaren posten? Das wäre super! 🙂

Heute hat man von dem Turm (Eintritt 1 EUR) aber immer noch einen wunderbaren Weitblick auf das Umland. Bei gutem Wetter soll die Fernsicht bis zur Rhön und das Fichtelgebirge reichen.

Leider ist der Turm für Leute mit Höhenangst nicht wirklich geeignet. Der Boden der Aussichtsplattform besteht aus Holzdielen zwischen denen man auf den Boden schauen kann. In Verbindung mit dem rudimentären Bauzustand muss man schon eine Portion Vertrauen in den TÜV aufbringen, dass der Turm noch sicher begangen werden kann. 😀

Die heutige Etappe beenden wir auf dem kleinen Campingplatz neben dem Waldschwimmbad der bayrischen Gemeinde Bad Rodach.

Tag 5: Von Bad Rodach bis Stockheim

Weiter geht es in Hauptrichtung Osten. Spätestens ab heute bringt uns jeder gefahrene Kilometer näher an die tschechische Grenze.

Ein kleines Highlight ist heute der Froschgrundsee, dessen Aufstauung die Stadt Coburg vor Hochwasser bewahrt. Da er sich sehr nahe an der ehemaligen innerdeutschen Grenze befindet reicht seine Wasserfläche bei Aufstauung im Hochwasserfall bis nach Thüringen hinein. Daher waren vor Baubeginn spezielle Absprachen zwischen BRD und DDR notwendig, weswegen er damals als „innerdeutsches Modellprojekt“ galt. An seinem Nordende wurde von 2006 bis 2011 eine Eisenbahnbrücke der Schnellfahrstrecke Nürnberg-Erfurt errichtet. Mit einer Bogenspannweite von 270m ist sie aktuell Europas größte Eisenbahn-Bogenbrücke. Das Teil macht wirklich (trotz Milliardengrab) was her!

Heute ist leider auch wieder so eine Etappe auf der in den vergangenen 25 Jahren die meisten Spuren der deutsch-deutschen Teilung entfernt wurden. Da braucht sich kein „Offizieller“ wundern warum die Erinnerung an die deutsch-deutsche Teilung in der Bevölkerung (vor allem der Jugendlichen) schwindet und sich die Fehler der Vergangenheit anfangen zu wiederholen. So begleiten uns heute nur die sporadisch am Horizont auftauchenden Beobachtungstürme.

Übrigens gab es von den Beobachtungstürmen oder auch kurz BT genannten Grenzbauwerken verschiedene Versionen, die sich in ihrer Entstehungszeit und Verwendung unterscheiden.

Wurden zu Beginn der Schließung der Grenze zwischen DDR und BRD vereinzelt Holztürme aufgestellt, folgten bald Beobachtungstürme des Typs BT-11. Dieser Typ ist zylindrisch und hat eine ausladende Beobachtungskanzel. Allerdings zeigte sich bald, dass er sehr windanfällig ist und musste ab einer bestimmten Windgeschwindigkeit von der Besatzung geräumt werden. Aus diesem Grund wurde er ab 1975 durch Türme des Typs BT-9, mit einer quadratischen Grundfläche von 2x2m², ersetzt. Darüber hinaus gab es noch quadratische Türme des Typs BT-6, mit einer Grundfläche von 4x4m². Dieser Turmtyp wurde vornehmlich als Führungsstelle genutzt, in denen die Meldungen aus anderen Türmen des zugehörigen Grenzabschnitts zusammenliefen.

Tag 6: Von Stockheim bis zum Auensee nahe Hof

Die heutige Etappe führt uns weit ins thüringisch-fränkische Schiefergebirge rund um Ludwigsstadt. Über feine Radwege und kaum befahrene Straßen geht es von Stockheim kerzengerade nach Norden in Richtung Tettau. Kurz nach Tettau führt uns die Route auf eine ausgetretene Kuhweide. Sofern der Weg noch erkennbar ist steht er 20cm unter Wasser. Daher drücken und zerren wir die schwer beladenen Räder querfeldein, vorsichtig zwischen den Kühen und ihren Kälbern hindurch (gibt man ihnen genug Zeit gucken sie erst blöd, gehen dann aber einfach aus dem Weg). Dabei wäre der Weg einfach über Spechtsbrunn und anschließend den Rennsteig-Radweg zu umfahren gewesen. Naja, hinterher ist man immer schlauer.

Der anschließende Abschnitt der heutigen Etappe entschädigt uns aber vollkommen für die zurückliegende Plackerei. Über die Lochplatten des Kolonnenweg (man kann komfortabel zwischen den Platten fahren) geht es durch einen „grünen Tunnel“ der den Namen Grünes Band wirklich verdient. Für mich ist dieser Abschnitt ein absolutes Highlight der Tour. Am liebsten hätte ich direkt hier mein Zelt aufgespannt. 😀

Kurz hinter dem Örtchen Radacherbrunn biegen wir auf den Rennsteig-Radweg ein. Auf wirklich feinstem Schotter mit kaum merklicher Steigung oder Gefälle düsen wir mit den schweren Rädern mit über 20 km/h dahin. So könnte es ewig weitergehen. Ich denke den Rennsteig-Radweg werde ich mir mal auf die Agenda setzen. 😉 Mit seinen knapp 200km sollte er auch an einem verlängerten Wochenende zu bewältigen sein.

Kurz nach Lehesten machen wir noch einen kurzen Abstecher zum Wetzstein auf dem die DDR-Grenztruppen einen Führungsposten betrieben haben. Heute wird das Gelände von Amateurfunkern als Relais-Station genutzt.

Nach einer langen Abfahrt hinunter nach Blankenstein müssen wir noch einen fiesen Anstieg bewältigen bis wir in Eisenbühl von der Route abzweigen können um auf dem Campingplatz Auensee erschöpft aufzuschlagen. Die heutige Etappe war bis jetzt mit Abstand die anstrengendste der gesamten Tour. Allerdings bleibt uns so Morgen auf der finalen Etappe um so mehr Zeit für Sightseeing.

Tag 7: Vom Auensee bis ans Dreiländereck an der tschechischen Grenze

Heute steht die finale Etappe der Tour an der ehemaligen innerdeutschen Grenze auf dem Programm. Das erste Ziel des Tages ist die Gemeinde Mödlareuth unmittelbar an der thüringisch-bayrischen Grenze.

Seit jeher liegen der eine Teil des Ortes auf der thüringischen Seite und der andere Teil auf der bayrischen. So kam es, dass der Ort auf Veranlassung der Staatsführung der DDR ab 1952 für 41 Jahre geteilt wurde. Am Anfang stand „nur“ ein übermannshoher Bretterzaun entlang des Tannbachs. In den folgenden Jahren wurde jedoch auch hier durch die DDR auf perfide Art die Grenzsicherung optimiert. So folgte 1966 eine 700m lange Betonsperrmauer, die auch heute noch zu Teilen erhalten ist und in einem sehr empfehlenswerten Museum mit Außenbereich und Fahrzeugausstellung besichtigt werden kann. Übrigens ist diese Teilung der Ortschaft auch der Grund warum Mödlareuth den Spitznamen „Little Berlin“ trug.

Nach dem Besuch und Besichtigung von Mödlareuth geht es über ruhige Straßen bis zum Ziel der Tour, dem Dreiländereck an dem die drei Länder Bayern, Sachsen und Tschechien aufeinander treffen. Unscheinbar in einem kleinen Waldstück gelegen kann man heute über eine kleine Holzbrücke den Mühlbach überqueren und gelangt so ohne Hindernisse problemlos nach Tschechien. Vor gerade einmal 25 Jahren war das nicht vorstellbar! Auf einem schön hergerichteten Platz mit extra Fahrradparkmöglichkeit 😀 machen wir eine ausgedehnte Pause und stoßen mit unseren Radflaschen auf das Tourende an!

Hier finden wir auch Schilder die den Weg für den weiteren Verlauf des Europa-Radweges „Eiserner Vorhang“ weisen.

Anschließend radeln wir nach Hof von wo uns ein Zug am nächsten Tag zurück in die Heimat bringt. 🙂

Fazit

Wenn man sich für die deutsch-deutsche Geschichte interessiert ist es höchste Zeit das ehemalige Grenzgebiet zu bereisen. Es gibt nur noch sehr wenige Spuren der Teilung Deutschlands und mit jedem Jahr erobert sich die Natur einen Teil des ehemaligen Todesstreifens zurück.

Das Fahrrad hat sich für mich auf meiner Tour als ideales Reisemittel erwiesen. Man ist sehr flexibel und ein voll bepacktes Fahrrad zieht stark die Aufmerksamkeit auf sich. Dadurch ergeben sich viele interessante Begegnungen und Gespräche. Natürlich lernt man auch sein eigenes Land dadurch besser kennen. Ich bin nach wie vor überrascht, wie vielseitig die deutsche Landschaft ist. Also warum nicht einfach einmal ein paar Tage Urlaub in Deutschland machen? 😉 Empfehlen kann ich besonders Teil 1 und den hier beschrieben Teil 3 der Reise.

Den von mir verwendeten Reiseführer hatte ich bereits hier vorgestellt.

Schreibe einen Kommentar