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Hinauf auf den Hardangerjøkulen

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Vorgestern bin ich in Finse, dem Ziel meiner Durchquerung der Hardangervidda, angekommen. Nach 7 Tagen non-stop auf Ski und mit einer schweren Pulka im Schlepptau war ich ziemlich platt und so habe ich einige Stunden gebraucht um mir klar zu werden, dass ich die Durchquerung geschafft habe. Das war in den ersten zwei Tagen alles andere als klar!

Daher habe ich gestern auch erst einmal einen Ruhetag eingelegt, der hauptsächlich aus Schlafen, Essen und Materialnachbereitung bestand. Das an diesem Tag das Wetter totaler Mist war führte dann auch dazu, dass ich nicht einmal vor der Finsehytta war. Das soll heute aber anders werden. Auf meinem Plan steht die Hardangerjøkulenrunde. Von einem Aushang an der Rezeption erfahre ich, dass diese aufgrund der geringen Schneeauflage auf dem Gletscher nur bis zur Jøkulhytta auf circa 1800 m ü.N.N. markiert ist. Das entspricht etwa 1/3 der gesamten Runde. Okay,… dann werde ich wohl oder übel den gleichen Weg wieder retour gehen den ich aufsteige, da ich ja solo unterwegs bin und sich das bekanntlich nicht so gut mit einer Gletscherwanderung verträgt.

Rund um Finse braucht man keine Karte
Rund um Finse braucht man keine Karte

Nur mit leichtem Gepäck in Richtung Gletscher

Gegen 09:30 Uhr trete ich ins Freie vor die Finsehytta. Die Sonne scheint und Wolken werden durch den kalten Wind flott über den Himmel getrieben. Perfektes Tourwetter also! 🙂 Ich schnalle die Ski an und nur mit einem leichten Tagesrucksack belastet geht es entlang der Kviste in Richtung Gletscher. Meine Güte! Wie die Ski laufen ohne Pulka! Der gestrige Ruhetag tat sein Übriges. Dass die Hütte auf den heutigen Samstag hin brechend voll ist merkt man allerdings nicht, und so trete ich die erste Spur in Richtung Gletscher.

Unverspurter Wintergenuss
Unverspurter Wintergenuss

Appelsinhytta

Ich komme einfach unglaublich schnell voran und so habe ich gefühlt in Null-Komma-Nichts die Appelsinhytta, eine Schutzhütte an einer Gletscherzunge des Hardangerjøkulen, erreicht.

Die Appelsinhytta ist in Sicht
Die Appelsinhytta ist in Sicht

Natürlich muss ich der Hütte einen kurzen Besuch abstatten und nachdem ich den Eingang freigeschaufelt habe stehe ich auch schon in ihrem spärlichen Inneren.

Als reine Schutzhütte ist die Appelsinhytta spärlich eingerichtet
Als reine Schutzhütte ist die Appelsinhytta spärlich eingerichtet

Mmmh… ich werde ein bisschen auf die Tube drücken, das Erlebnis alleine auf dem Gletscher zu stehen werde ich mir nicht so einfach kampflos nehmen lassen.

Die Hütte lädt nicht gerade zum Verweilen ein und so bin ich wenige Minuten später schon wieder auf der Gletscherzunge unterwegs. Als ich zurück blicke erspähe ich zwei erste Tourengeher die von Finse auf die Appelsinhytta zuhalten. Mmmh… ich werde ein bisschen auf die Tube drücken, das Erlebnis alleine auf dem Gletscher zu stehen werde ich mir nicht so einfach kampflos nehmen lassen. Also weiter!

Hinauf! Hinauf auf den Hardangerjøkulen!
Hinauf! Hinauf auf den Hardangerjøkulen!

Von der Gletscherfläche zieht mir unangenehm heftig der kalte Wind entgegen. Ich ziehe einmal wieder alle Reißverschlüsse bis zum Anschlag zu und schiebe mir den Buff über die Nase. So geht es hinauf. Verrückterweise nahezu ohne Anstrengung. Ich muss mich sogar noch zurück halten um nicht zu schnell zu laufen. Wer weiß wie weit es noch hinauf ist. Ab und an muss ich den Hang kreuzen, da ich wieder einmal zu faul bin die Steigfelle auf die Ski aufzuziehen. So purzeln recht schnell die Höhenmeter.

Die Jøkulhytta ist erreicht!

Die Jøkulhytta ist erreicht!
Die Jøkulhytta ist erreicht!

Eine letzte Kuppe, der Höhenmesser ist bereits über 1800 m geklettert, und dann sehe ich vor mir die völlig zugeeiste Jøkulhytta. Was ein surrealer Anblick!

Auch hier muss ich als erster Besucher des Tages den Eingang frei legen. Im tiefgefrorenen Inneren der Hütte packe ich meine Verpflegung aus und mache erst einmal eine ausgedehnte Vesper. Anschließend versuche ich etwas ins Hüttenbuch einzutragen. Der beiliegende Kugelschreiber ist jedoch völlig tiefgefroren und so stecke ich ihn erst einmal zum Aufwärmen unter mein Longsleeve und trete hinaus vor die Hütte. Da gibt es ja noch etwas zu berichten… 😀

Star Wars in Norwegen

Anschließend treffen tröpfchenweise die ersten Tourengeher nach mir ein. Ich habe mir meinen Buff in den Farben der isländischen Flagge weit ins Gesicht gezogen. Das führt zu einigen Missverständnissen, da ich wohl für einen Isländer gehalten werde. Dabei habe ich mich mit meiner Gesprächspartnerin schon gestern beim Abendessen lange unterhalten. Als ich im Zuge des jetzigen Gesprächs den Buff aus dem Gesicht ziehe winkt sie nur ab und lacht… 😀 Da war sie jetzt wohl doch ein bisschen überrascht. 😀

Leider bleibt meine Suche nach Mitstreitern für eine vollständige Hardangerjøkulenrunde erfolglos. Alle verweisen auf die fehlenden Kviste, dabei ist die Orientierung kein Problem und es geht von der Hütte aus mehr oder weniger nur noch bergab. Schade, aber alleine ist mir das Risiko dann doch zu hoch. Sollte ich tatsächlich den Abgang in eine Spalte machen, würde es noch nicht einmal jemand merken… Also den gleichen Weg wieder retour wie ich aufgestiegen bin.

Als ich in den ersten Hang einrutsche traue ich meinen Augen nicht. Wie an einer Perlenkette reihen sich die Tourengänger auf. Es sind bestimmt 50 alleine in diesem Hang. Verrückt! Wenn ich eine Stunde später losgegangen wäre, hätte ich vermutlich aufgrund der Menschenmassen nach der Hälfte entnervt umgedreht. Dabei war ich noch nicht einmal richtig früh dran.

Die Abfahrt. Katastrophe!

Ich versuche mit Bergstemme und hin und wieder einmal mit einem Telemarkschwung die Abfahrt. Katastrophe! Ich wickele mich einige male hin bis ich in die klassische Schrägabfahrt-Spitzkehre-Schrägabfahrt wechsle. Meine Sprunggelenke werden es mir danken. So rutsche ich 400 hm bis zu Appelsinhytta hinunter. Eine Schande! Der Pulverschnee wäre mit alpinen Tourenski ein wahrer Hochgenuss und auch sehr einfach zu fahren. Aber mit den 2,1 m langen Latten und den weichen Langlaufschuhen komme ich ziemlich schnell an meine Grenzen. 😉 Ich hetze nicht gerade bei der Abfahrt und so kann ich noch einige Einheimische beobachten. Sie stellen sich nicht besser an als ich. Und das im Land der Telemarkerfinder! So ein bisschen bin ich ja schon enttäuscht, dass hier niemand vermag ein „Fahrtechnikfeuerwerk“ abzubrennen! 😀

Wenig oberhalb der Appelsinhytta steige ich noch auf einen kleinen Schutthügel hinauf um ein Panorama zu drehen. Hier stecke ich einen kleinen Stein für meine Sammlung ein.

Als ich wieder in Finse eintreffe hat sich der Wind gelegt und die Sonne hat sich gegenüber den Wolken durchgesetzt. Es ist gerade einmal früher Nachmittag und das Hütteninnere der Finsehytta wirkt auf mich total überheizt. So vertrete ich mir noch ein bisschen die Beine um die Hütte. Dabei entdecke ich zwei Sonnenbadende, die sich an die Hüttenwand gelehnt haben. Famose Idee! Ich hole geschwind die Schaufel und grabe mir eine Sonnenliege, die ich mit meinem Rucksack und der Rückenpolsterung gegen die Kälte des Schnees abschirme. Ich hätte niemals gedacht, dass sie so bequem wird! 😀 So liege ich noch eine Stunde in der Sonne und höre Musik. Ein guter Tag in Finse!

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